Viele Menschen sind inzwischen sehr unzufrieden mit der aktuellen Mietsituation in deutschen Städten. Daher haben sich einige gesellschaftliche Gruppierungen gebildet, die sich mit alternativen, bezahlbaren Wohnmöglichkeiten für alle Menschen auseinandersetzen.
Wohnen gegen Hand
Nach meinem Masterabschluss habe ich mit meiner Freundin über ein paar Monate „Urlaub gegen Hand“ gemacht. Wir haben die jeweiligen Familien über eine Facebook-Gruppe gefunden. Durch einen vorher stattfindenden schriftlichen Austausch konnten wir raushören, ob es menschlich passt und ob die zu erledigenden Aufgaben für uns passten. Wir haben dadurch wunderbare Menschen kennengelernt und sind kostenlos in schöne deutsche Regionen gekommen.
Dieses Konzept gibt es nun auch fürs Wohnen. „Wohnen gegen Hand“, „Wohnen gegen Hilfe“ oder „Wohnpartnerschaften“, unter diesen Begriffen kannst du dieses Konzept im Internet finden. Es gibt auch einige Vermittlerseiten. Falls du jemanden kennst, der oder die Hilfe braucht und etwas einsam ist, schlag ihm oder ihr doch mal dieses Konzept vor. Ich denke, dies ist ein wundervolle Idee, um Menschen zu vereinen, sich gegenseitig zu helfen und dafür günstig zu wohnen.
Wohnungsbaugenossenschaften
Genossenschaftliches Wohnen ist in Deutschland inzwischen eine sehr verbreitete Wohnform. In einer Genossenschaft zahlen Mieter oder eine Mieterin keine Kaution oder Provision, sondern werden zum Einzug Mitglied in der Genossenschaft und kaufen Genossenschaftsanteile, die verzinst werden. Bei einem Austritt erhalten sie diese Anteile wieder zurück. Der Vorteil einer Genossenschaft ist, dass sie nicht gewinnorientiert arbeitet, denn die Mieter*innen sind die Eigentümer*innen der Genossenschaft. Somit können sie in einer sicheren und bezahlbaren Wohnung sein und genießen als Genossenschaftsmitglied lebenslanges Wohnrecht. Erwirtschaftete Überschüsse der Genossenschaften gehen in den Erhalt und die Modernisierung der Bestände und werden in Neubauten und den Ausbau der Service-Angebote investiert.
Somit können Mitglieder ein Leben lang von einer kleinen Wohnung als Arbeitsanfänger*in über eine größere als Familie bis hin und einer 3-4-Zimmer-Wohnung als Rentner*in je nach Bedürfnissen wohnen. Da Genossenschaften demokratisch organisiert sind, kannst du mit deiner Stimme bei allen Entscheidungen mitwirken (Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e.V. o.J.). Das ist ein großartiges Konzept, bei dem Mieter*innen selbst mitentscheiden können, wie sie wohnen möchten. So können sie sich dem gewinnorientierten Wohnungsmarkt entziehen. Viele Genossenschaften sind überfüllt. Deshalb lohnt es sich, sich dort frühzeitig auf eine Liste in deiner Stadt zu setzen. So können alle gemeinsam gegen den unfairen Wohnungsmarkt kämpfen.
Gemeinschaftliches Wohnen
Das „Mietshäuser Syndikat“ verbindet gemeinschaftliche Wohnprojekte miteinander. In solchen Projekten werden Häuser entprivatisiert und gehen, ähnlich den Genossenschaften, in den Gemeinschaftsbesitz über. Dort wird dann gemeinsam Wohnraum sowie gemeinschaftliche Projektfläche für alle geschaffen. Außerdem kommt, wenn erwünscht, auch gewerbliche Fläche dazu. In diesen Projekten wird häufig wie in einer Wohngemeinschaft gelebt und das Leben miteinander geteilt. Die Motivation der Gründung eines solchen Projekt kann sehr unterschiedlich sein. Viele möchten sich dem allgemeinen Wohnungs- und Immobilienmarkt entziehen, sind auf der Suche nach Gemeinschaft und ähnlich interessierten Menschen und möchten auch Menschen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben, unterstützen (Mietshäuser Syndikat 2021).
Solche häufig auch generationsübergreifenden Wohnungsprojekte in Gemeinschaft können für alle Gruppierungen unserer Gesellschaft interessant sein. Es gibt solche generationsübergreifenden Wohnprojekte mit Familien, Studierenden und älteren Menschen in einem Haus oder auf einem Hof. Man kann sich gegenseitig helfen, unterstützen und ist nicht so einsam. Familien haben Betreuungspersonen im Notfall und ältere alleinstehende Menschen jemanden, der sie abends mal zum Abendessen einlädt.
WGs sind nicht nur was für Studierende
Um Geld zu sparen, ziehen Studierende oder Menschen in der Ausbildung gerne in Wohngemeinschaften. Küche, Bad und Wohnzimmer teilen und dabei auch noch neue Leute kennenlernen, das macht den Umzug in eine neue Stadt leichter. Das spart nicht nur Geld, sondern auch bei Einsamkeit oder der aufkeimenden Lust, ein Spiel zu spielen, ist auch immer jemand da. 😉
Immer mehr junge Leute leben nicht nur während der Ausbildungszeit in WGs, sondern auch in den ersten Berufsjahren. Mit gleichaltrigen Menschen, die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befinden, kann dies doch sehr nett sein. Man ist abends nach der Arbeit nicht so allein und kann gemeinsam kochen.
Erstmal eine Wohnung zur Zwischenmiete
Für diejenigen, für die solche Gemeinschaftsprojekte gerade nicht passend sind, ist eine Zwischenmiete vielleicht die ideale Lösung. Gerade in den Studentenstädten ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass du für den Anfang eine Wohnung zur Zwischenmiete findest. Dabei überlassen dir andere, die gerade mal für eine Zeit im Ausland sind, ein Praktikum in einer anderen Stadt machen oder aus anderen Gründen die Stadt mal für ein paar Wochen oder Monate verlassen, ihre Wohnung. Das ist gerade für Zuziehende praktisch, da man sich so die neue Stadt erstmal anschauen kann und einen Überblick bekommt, in welches Viertel man vielleicht gerne ziehen mag.
Außerdem lernt man vielleicht erstmal Menschen, zum Beispiel auf der neuen Arbeitsstelle, kennen, die dir bei der Wohnungssuche helfen können. Manchmal bleiben andere sogar länger im Ausland oder gehen ganz dorthin und du bekommst die Wohnung vielleicht sogar recht unkompliziert. Den Menschen, die ihre Wohnung untervermieten, ist häufig nicht ganz so wichtig ist, dass du den sichersten Job der Welt hast. Viele von ihnen sind selbst noch Studies und kennen deine Situation somit sehr gut. Sie möchten sich vielmehr gut mit dir verstehen. Schließlich sammelst du ihre Post ein und lebst mit ihren Sachen zusammen. Da ist eine gewisse Sympathie doch sehr wichtig. So hast du vielleicht auch, als Berufsanfänger*in, die Chance auf eine schöne, gut gelegene Wohnung, auch wenn du noch in der Probezeit bist.
Ein paar Tipps zum Schluss
Die Wohnungssuche ist hart und man konkurriert in den deutschen Städten mit vielen anderen Interessierenden. Wenn aktuell keines der vorgestellten alternativen Wohnungsmöglichkeiten für dich in Frage kommt, können wir hier vielleicht unsere Tipps austauschen, wie man bei einer „normalen“ Wohnungsbesichtigung am besten überzeugt. Es lohnt sich auf jeden Fall, beim ersten Anschreiben an den Vermieter*in oder den/die Makler*in direkt mal eine nette Selbstauskunft mitzuschicken und sich vorzustellen. Wenn du hast, kannst du auch noch einen Arbeitsvertrag, deine Schufa-Selbstauskunft oder eine Bereitschaft deiner Eltern, dass Sie für dich bürgen würden, mitsenden. Damit stichst du aus der Masse raus und zeigst schon mal, dass du organisiert bist und es ernst meinst.
So, jetzt würde mich sehr interessieren, wie du wohnst und wie du an deine Wohnung gekommen bist. Vielleicht hast du noch einen besonderen Tipp für uns oder steckst in einer ähnlichen Situation? Teile gerne deine Erfahrungen mit uns. 😊
Quellen:
Statista (2021): Mieten in Städten teils drastisch gestiegen. Online unter: https://de.statista.com/infografik/25613/entwicklung-der-mietpreise-fuer-wohnungen-in-deutschen-staedten/ (27.10.2022).
Statista (2022): Städte mit den höchsten Mietpreisen für Wohnungen in Deutschland im 2. Quartal 2022. Online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1885/umfrage/mietpreise-in-den-groessten-staedten-deutschlands/ (27.10.2022).
Handelsblatt (2021): In diesen Städten sind die Mieten pro Quadratmeter am höchsten. Online unter: https://www.handelsblatt.com/finanzen/immobilien/mietpreise-in-deutschland-in-diesen-staedten-sind-die-mieten-pro-quadratmeter-am-hoechsten/25430390.html (27.10.2022).
Tagesschau (2017): Warum versagt die Mietpreisbremse? Online unter: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kurzerklaert/kurzerklaert-mietpreisbremse-101.html (27.10.2022).
Süddeutsche Zeitung (2016): Warum die Mietpreisbremse nicht funktioniert. Online unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mietpreisbremse-warum-die-mietpreisbremse-nicht-funktioniert-1.2995244 (27.10.2022).
Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e.V. (o.J.): Warum Genossenschaft? Online unter: https://www.wohnungsbaugenossenschaften.de/genossenschaften/warum-genossenschaft (28.10.2022).
Umweltbundesamt (2021): Wohnfläche. Online unter: https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche#zahl-der-wohnungen-gestiegen (28.10.2022).
Deutschlandatlas (o.J.): Mieten. Online unter: https://www.deutschlandatlas.bund.de/DE/Karten/Wie-wir-wohnen/040-Mieten.html#_i13ianqlc (28.10.2022).
Mietshäuser Syndikat (2021): Broschüre Nr. 8 – 2021. Online unter: https://www.syndikat.org/broschuere-nr-8-2021/ (08.11.2022).
Wohnungen mieten in Studentenstädten oder doch lieber kaufen?: https://www.mcmakler.de/magazin/studentenstaedte-mieten